Keine Panik mehr

Über den Zusammenhang von Selbstberuhigungsfähigkeit, Regeneration und Grundvertrauen


Jede Erkrankung, zumal wenn sie schwerwiegend und langanhaltend ist, belastet das Grundvertrauen. Wenn dieses Grundvertrauen leidet, wenn der Körper plötzlich nicht mehr selbstverständlich funktioniert, dann bekommt der Mensch es zwangsläufig mit der Angst zu tun. Wie mir viele meiner MS-Patienten berichteten, kennen sie dieses Hadern mit einem Körper, der nicht funktioniert. Mehr noch, dass ihr Körper nicht funktioniert, geht ihnen auf die Nerven und, wenn es schlimm kommt und der Körper mit Ausfällen droht, dann nimmt die Angst Überhand und Panik ergreift sie. Mit allen möglichen, geeigneten und weniger geeigneten Mitteln, versucht die betroffene Person, sich zu beruhigen. Kinder rennen, wenn sie Beruhigung brauchen, instinktiv zu ihrer Mama, große Menschen haben es da schwerer. Sie können sich, mehr oder weniger vertrauensvoll, an Fachautoritäten oder Institutionen wenden. Wenn das Ganze nichts nützt und sich die Angst nicht beruhigen lässt, dann bricht sie regelmäßig durch und wird motorisch: Der Mensch schiebt Panik.


Von Bindung und der Offenheit des menschlichen Gehirns

Durch die vielschichtigen Prägungen, die sich aus den unterschiedlichen Bindungen in unterschiedlichen Lebensphasen ergeben, baut der Mensch sein eigenes Selbstvertrauen auf und entwickelt eigene Formen der Selbstberuhigung. Die Selbstberuhigungsfähigkeit steht zum Beispiel unter dem Zwang, zur Ruhe kommen zu müssen, sie ist in einem anderen Beispiel davon geprägt, Ängste zu unterdrücken beziehungsweise niederzukämpfen. Ein Anderer braucht die vertraute Umgebung, wieder Andere eine enge Beziehung. Allen, individuell sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Selbstberuhigungsfähigkeit, ist – bei aller Verschiedenheit – eines gemein: Die Fähigkeit, sich mit den eigenen Ängsten vertraut zu machen, leidet nicht nur Ängste sind vielmehr häufig nicht erwünscht. Sie sollten nicht sein. Sie stören. Die mit Abstand häufigste Formulierung lautet: Sie nerven.


Grundvertrauen und Selbstberuhigungsfähigkeit

Die therapeutische Absicht, die ich verfolge, besteht darin, das ureigene Grundvertrauen, welches in jedem Menschen wohnt, zu stärken und sich allmählich von anderen Vertrauenserfahrungen zu lösen. Je mehr es gelang, die Selbstberuhigung von alten Grundsicherheiten, die in ihren elementaren Zügen bereits als Kind verinnerlicht worden waren, zu lösen und durch ureigenes Grundvertrauen (sogenanntes intrinsisches Vertrauen) zu ersetzen, desto weniger wurden die Patienten von Ängsten geplagt und desto weniger wurden sie von belastenden Panikschüben, die dann mit viel Energie und Angstunterdrückung niedergekämpft werden müssen, heimgesucht. Die gesundheitsfördernde Wirkung liegt auf der Hand. Angst bedeutet Stress für den ganzen Organismus und zeigt sich in vielen Ausdrucksformen von Stress. Stress, der an den Nerven zehrt, und die Regenerationsfähigkeit insgesamt schwächt. Somit reduziert die wachsende Fähigkeit zur Selbstberuhigung den Stress.


Der Zusammenhang von Selbstberuhigungsfähigkeit und Grundvertrauen ist von großer psychotherapeutischer Bedeutung. Ich stelle folgende These auf: Die intrinsische, also in der Person selbst angelegte, Form des Grundvertrauens ist direkt an die Selbstberuhigungsfähigkeit angebunden. Sie hat sich bereits bestätigt und muss sich weiterhin therapeutisch bewähren. In der Konsequenz führt sie zu praktisch überprüfbaren Ergebnissen. Das Grundvertrauen wächst, wenn die Selbstberuhigung auch wirklich im Ich-selbst-Sein der Person verankert ist. Und umgekehrt: Je mehr intrinsisches Grundvertrauen vorhanden ist, desto mehr wird das Vertrauen in die eigene Selbstberuhigungsfähigkeit gestärkt. Im Rahmen einer solchen Behandlung wird somit die Angstkontrolle und Angstverarbeitung auf eine Basis gestellt, indem Grundvertrauen und Selbstberuhigungsfähigkeit sich wechselseitig aufbauen. Insgesamt nimmt somit die Fähigkeit, sich aufkommenden Ängsten zu stellen und durch Vertrauen im erträglichen Rahmen zu halten beziehungsweise insgesamt weniger Ängste zu entwickeln, sukzessive zu.


Keine Panik

Wenn Ängste sich nicht wirklich beruhigen lassen und damit eine untergründige Angstbereitschaft existiert, die am besten noch nicht einmal wahrgenommen werden soll, dann wird diese Angst auch früher oder später die Psychomotorik erfassen. Wird die Angst motorisch, dann schiebt der Patient Panik! Die gute Nachricht ist nun, dass auch das Vertrauen sich motorisch Bahn brechen kann. In der motorischen Umsetzung von Grundvertrauen gewinnt der jeweilige Klient an Zutrauen. Er oder sie kann mit dem Vertrauen auch etwas tun, also sich etwas Zutrauen und das Zutrauen auch in die Tat umsetzen.


Bewegungsvertrauen

Die therapeutische Schlussfolgerung ist eindeutig.

Das Bewegungsgrundvertrauen (das heißt, der hier postulierte Typ von Grundvertrauen) muss befreit werden. Mehr Bewegungsvertrauen bedeutet mehr positiven Schub, sprich Antrieb und Motivation. Wachsendes Bewegungsvertrauen gibt mehr Motorik frei und befreite Bewegungsumsetzung schafft mehr Grundvertrauen dieser Sorte. Panik musste zuvor irgendwie unter Kontrolle gebracht und mit Mühe beherrscht werden. „Bloß keine Panik bekommen“, lautete das Credo. Das neue Credo lautet ungefähr so: „Nur weiter, mutig, denn ich traue mich etwas!“. Panik sorgte zuvor dafür, dass der Radius des Bewegungsvertrauens beschränkt wird. Ein Teufelskreis, aus dem nun die Entfaltung des Bewegungsvertrauens herausführen kann. Mehr an Bewegung gebundenes Vertrauen heißt, dass der jeweilige Patient sich mehr traut und dann mehr bewegt, und wenn er sich mehr bewegt, dann mehr vertraut. Jeder kann sich vorstellen, welche Erleichterung diese neue Behandlungsoption in sich trägt! Motivationsschübe prägen nach und nach den therapeutischen Verlauf. Das Leben neben der Krankheit erhält einen gesunden Anschub. „Etwas Neues ausprobieren“, „sich wieder mehr zutrauen“, „wieder etwas anfangen, was schon aufgegeben wurde.“ Eine zentrale Aufgabe von Psychotherapie, nämlich die Lebensqualität zu steigern und die Belastung der Nerven mit Angst und Stress zu mindern, konnte in vielen Fällen erfüllt werden.


Quelle:

Dipl. Psychologe Michael Munzel hat mit der Bindungsenergetik eine Therapieverfahren entwickelt, in dessen Zentrum der Aufbau von gesunder Widerstandsfähigkeit, von Regenerations- und Belastungsfähigkeit steht.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich unter: http://bindungsenergetik.de/ publikationen/texte-artikel/